Wach? Das bedeutet für mich…
Herr Johann Hohenwarter OPraem, Stift Wilten, Leiter des Seelsorgeraumes Wilten-Wilten West, Jugendseelsorger im Dekanat Wilten-Land:
Mit „wach“ verbinde ich Eigenschaftsworte wie neugierig, interessiert und offen. Mit jungen Erwachsenen bin ich als Jugendseelsorger im Jänner 2019 unterwegs zum Weltjugendtag in Panama. Auf diesem besonderen Pilgerweg begegnet mir das „wach“ in beeindruckend-berührender Weise: in der Gruppe, die gemeinsam aufbricht und Kulturen, Länder und Menschen kennenlernt; in Menschen, die uns bei sich zu Hause herzlichst aufnehmen und ganz anderen Bedingungen zum Trotz fröhlich und zufrieden leben. Das „wach“ zeigt sich in Ordenschristen und Laien, die sich für Menschen - Junge und Alte - am Rand der Gesellschaft einsetzen.
Das „wach“ ergreift mich und spricht zu mir aus der Lebens- und Glaubenskultur dieser Menschen vor Ort. Katholische Kirche ist keine mit sich selbst beschäftigte, müde geworden und bequem konsumierende Gesellschaft, sondern eine bunte, dynamische, fröhliche, mit Hirn, Herz und Hand betende und kraftvoll glaubende Gemeinschaft! Einfach „wach“.
Sr. Rafaela Kolodziejak OSB, Benediktinerin der Anbetung:
Wach ‚an sich‘ gibt es nicht. So wie es Sonnenstrahlen ohne Bezug zu ihrer Quelle (Sonne) nicht geben kann. Wach ist ein Phänomen des menschlichen Bewusstseins, des Bewusstseins des Herzens. Es kann also nur dort sichtbar werden, wo es wach-ende Menschen gibt. Doch was bedeutet 'wach-end' werden? Das Substantiv 'werden' scheint mir entscheidend zu sein. Wenn ich in einen tiefen Schlaf versinke, kann ich die Wirklichkeit weder wahrnehmen, noch mich selbst aufwecken. Nur der Einbruch einer anderen Person kann mich wieder wach machen. Wach werden heißt also, sich durch andere Menschen, durch Gott, durch sein lebendiges Wort wach machen lassen. Ein wach-ender Mensch kann jeden Ort in einen 'Ort, wo das Wach sichtbar wird' verwandeln. Egal, ob das eine U-Bahn Station, eine Bank, eine Kirche oder ein Kaufhaus ist.
P. Nikolaus Reiter OSB, Stift St. Paul im Lavanttal:
Der hl. Benedikt lehrt uns die Achtung vor allem Geschaffenen. Alles, was wach geworden ist, hat seinen Platz. In allem soll ja Gott verherrlicht werden – auch im Kleinen. Ich sehe dies im Gefüge der Schöpfung, nicht nur global, sondern auch im Kleinen, konkret bei uns in St. Paul im Bio-Streuobstgarten am Stiftshügel. Die Bienen der Imkerei sorgen für die flächendeckende Bestäubung, die Schafe fressen das Fallobst und sorgen zugleich für Dung, der Specht bearbeitet alte, morsche Streuobstbäume, verschiedene Vogelarten sammeln zur Aufzucht ihrer Jungen Raupen und „Ungeziefer“. Wird hier ein Bereich vernachlässigt, leidet das Gesamtgefüge. Für mich zeigt eine gleichgültige Haltung gegenüber der Schöpfung auch ein tiefgreifendes Defizit im monastischen Leben auf. Wachsamkeit in der Natur spiegelt für mich auch eine gewisse Wachsamkeit gegenüber den „Eigenheiten“ eines jeden Mitbruders wieder – jeder gehört zu diesem Gefüge.
Maria Gaugl, Pflegedienstleitung Marienkrankenhaus Vorau:
Mein Arbeitsplatz - das Krankenhaus. An diesem Ort geschehen tagtäglich Begegnungen mit der WACHHEIT aller Sinne durch besondere Aufmerksamkeit, Hinwendung, Hinhorchen, Zuhören, sich Einlassen auf verschiedenste Bedürfnisse der uns anvertrauten kranken Menschen.
Nur durch die WACHHEIT aller Sinne gelingt es den Menschen, ganzheitlich wahrzunehmen und ganzheitlich zu betreuen. Der Pflegeberuf ist in diesem Sinne nicht nur Beruf, sondern echte Berufung. Diese Berufung mit ihren geforderten fachlichen, persönlichen und sozialen Kompetenzen kann aber nur mit einem stets wachen Herzen und wachen Sinnen an wachen Orten mit viel Gottvertrauen und Nächstenliebe gelebt werden.
Die Arbeit in unserem Ordenskrankenhaus wird durch das tägliche Gebet unserer Ordensschwestern begleitet. Dieser besondere Geist ist für Personal und Patienten spürbar und macht unseren Arbeitsplatz zu einer besonders wachen Begegnungsstätte.
Daniel Polixmair, Pädagoge an der NMS der Kreuzschwestern in Linz:
Es ist März und wir sind, wie jedes Jahr zu diesem Zeitpunkt, mit sehr aufgeweckten Schülerinnen und Schülern auf dem Weg zu unserem Skikursquartier in Altenmarkt im Pongau. Fünfunddreißig Elfjährige, die sich die Nächte um die Ohren schlagen und so lange wie möglich wach bleiben wollen. Auf der anderen Seite vier junge Lehrerinnen und Lehrer, die die Aufgabe haben, die Jugendlichen zu „bewachen“. Die einen wollen also wach bleiben, die anderen müssen es. In der Früh hat sich das Bild gewandelt: Die in der Nacht wachen, tun sich mit dem Wachwerden sehr schwer und torkeln schlaftrunken zum Frühstücksbuffet. Im Skigebiet eingetroffen, wissen wir Lehrer um die alpinen Gefahren – wir stellen uns der Verantwortung und bleiben wachsam, damit unsere Schützlinge wohlbehalten am Abend wieder heimkehren. Beim Einsteigen in den Skibus rutscht ein Schüler aus, ein flinker Schüler bewahrt ihn vor Schlimmerem. Er bedankt sich und ich denke mir: Gut, dass wir so wache Schüler mitgenommen haben.
Sr. Erzsébet Knáb, Geistliche Familie „Das Werk“:
Bei uns drei Geschwistern gab es ein merkwürdiges Phänomen: Wenn unsere Mama aus der Küche rief: „Könnt ihr bitte abtrocknen kommen?“ - hat das keiner von uns gehört. Wenn sie aber leise sagte, man könnte die Rührschüssel mit Tortencreme ausschlecken, waren alle drei im Nu in der Küche. Unsere Mama nannte dies „selektives Hören“.
Gott gegenüber neigen wir, seine Kinder, nicht selten zu einem selektiven Hören. Und genau wie bei unbefangenen Kindern wird es sichtbar im Gehorchen. Wenn wir hingegen wirklich hellwach hörend sind, hören wir alles, was Gott sagt. Um vom Hören zum Gehorsam zu kommen, braucht es allerdings noch etwas: den Glauben, dass der Ruf Gottes aus seiner Liebe kommt. Maria, die hellwache Jungfrau aus Nazareth, sagt Ja zu Gott, und neun Monate später wird das sichtbar in der Geburt Christi. Unzählige Menschen nach ihr hören Gottes Ruf, folgen ihm im Glauben, und dies wird sichtbar im Lob Gottes, in Kirchenbauten, in Werken der Nächstenliebe. Wo auch immer das Gottesreich sichtbar wird, steht dahinter ein wacher Mensch, dessen Glaube die Brücke zur Sichtbarkeit geschlagen hat.
Alle Fotos: privat
[hwinkler]