Systemalternativen im Fokus des Benefizsuppenessens der kfb in Österreich
Einen Aufruf, angesichts strukturell ungerechter Lebens- und Produktionsweisen „Normalität“ zu hinterfragen und „Regeln zu ändern“ richtete Ruth Fartacek, Aktivistin der sozialen Bewegung „System Change, not Climate Change“, als Festrednerin an die rund 150 Gäste aus Politik und Kirche, die beim diesjährigen Benefizsuppenessen der Aktion Familienfasttag der Katholischen Frauenbewegung Österreichs am 11. März in der Technischen Universität Wien zusammengekommen sind. In einem System, das „auf Ausbeutung von Mensch und Natur und der Auslagerung der schädlichen Folgen an andere Orte und an andere Generationen“ beruhe, sei „Normalität inakzeptabel“, gelte es, „nicht gehorsam und brav“ zu sein, vielmehr „Sand ins Getriebe zu streuen“.
Alle Fotos: Lisa-Maria Trauer
Zahlreiche VertreterInnen aus Politik und Kirche
Der Einladung zum Benefizsuppenessen der Aktion Familienfasttag der Katholischen Frauenbewegung Österreichs sind auch heuer wieder zahlreiche Vertreter*nnen aus Politik und Kirche gefolgt, darunter Doris Schmidauer, Frau des amtierenden Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen, Margit Fischer, Frau des ehemaligen Bundespräsidenten Heinz Fischer, ÖVP-Menschenrechtssprecherin und Nationalratsabgeordnete Gudrun Kugler, SPÖ-Frauensprecherin und Nationalratsabgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek, der stellvertretende Bundessprecher der Grünen und Mitglied im Grünen Bundesvorstand, Stefan Kaineder, die Grüne Wiener Landtagsabgeordnete und künftige Vizebürgermeisterin Birgit Hebein, die bei der EU-Wahl für die Grünen kandidierende TV-Köchin Sarah Wiener, die ehemalige ÖVP-Frauenministerin Maria Rauch-Kallat, die Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden Österreichs Sr. Beatrix Mayrhofer und der frühere Generalsekretär und geistliche Assisent P. Franz Helm, ÖGB-Frauenvorsitzende Corinna Schumann, der Generalsekretär der Österreichischen Bischofskonferenz, Peter Schipka, Bischof em. Maximilien Aichern, die Direktorin der Evangelischen Frauenarbeit Gertrude Rohrmoser, Amina Baghajati vom Forum muslimischer Frauen in der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Brigitte Zinnburg vom Weltgebetstag der Frauen in Österreich, die Geschäftsführerin der KOO Anja Appel, der Geschäftsführer der Dreikönigsaktion, Jakob Wieser. Durch den Abend führte als Moderatorin Christine Haiden, Chefredakteurin von „Welt der Frauen“. Die ausgeschenkten Suppen stellte die Wiener Tourismusschule „Modul“ bereit, die Zutaten kamen vom niederösterreichischen Biohof Adamah, zahlreiche SchülerIinnen des „Modul“ servierten. „Saxolady“ Daniela Krammer hat die Benefizveranstaltung musikalisch gestaltet.
Mit Projekten entwickeln helfen
Wie das die kfbö unter anderem tut, präsentierten kfbö-Vorsitzende Veronika Pernsteiner und ihre Stellvertreterin Petra Unterberger anhand der Projektpartnerschaft mit „WODSTA“ (Women Development for Science and Technology), einer Frauenorganisation in Tansania, die mit kfbö-Unterstützung eine ökonomische, ökologische und soziale Alternative für Frauen bietet: Frauen entwickeln technologische Lösungen, um angesichts knapper Energieressourcen ihren Haushalt, insbesondere das Kochen, ökologisch verantwortet zu bewältigen. Sie bauen und verkaufen Energiesparöfen und schonen damit nicht nur die Umwelt, sondern verbessern auch ihre ökonomische und soziale Position: „Diese Frauen haben den ´Wandel gewagt´, sie sind tätig geworden, ´gemeinsam für eine Zukunft aus eigener Kraft´“, so Veronika Pernsteiner im Rekurs auf Themenschwerpunkt und Slogan der Aktion Familienfasttag in der heurigen Fastenzeit. Das bedeute auch ein anderes Verständnis von „Fortschritt“, erklärte die zweite Festrednerin des Abends, die Schauspielerin Stefanie Dvorak: „Es geht hier um einen Fortschritt, den die Frauen selbst vorantreiben, ohne dass wir - die Nachfahren ehemaliger Kolonialmächte – sagen, wie es geht und uns daran bereichern“. Militärbischof Bischof Werner Freistetter, in der österreichischen Bischofskonferenz zuständig für Weltkirche, knüpfte in seinem Grußwort an die Forderung nach ökologischem, ökonomischem und sozialem Strukturwandel an: die heuer bevorstehende Amazonien-Synode greife diese Dimensionen auf, sie soll als „Zeichen für die Welt“ „neue Wege“ des Miteinanders auftun, etwa im Blick auf eine „interkulturelle Spiritualität“. In einer Zeit, in der immer mehr „Grenzen gezogen“ würden, sei es dringend notwendig, „Grenzen zu überwinden“. Bischof Freistetter dankte der Katholischen Frauenbewegung Österreichs für ihr unermüdliches Engagement dafür, „die Stimmen von Frauen“ hörbar zu machen. Anlässlich des diesjährigen Benefizsuppenessens hat das die kfbö gemeinsam mit der Vizerektorin der Technischen Universität Wien, Anna Steiger, getan, die als Gastgeberin des Abends in ihrem Grußwort auf die vielfältige Unterstützung von Frauenprojekten durch die TU hinwies: „Frauen nutzen Technik und Innovation, um das Leben für sich und ihr Umfeld nachhaltig zu verbessern. Darum unterstützen wir das Projekt der Katholischen Frauenbewegung, das Frauen zu einem selbst bestimmten Leben verhilft“, so Steiger. Auch die TU hat heuer Anlass, den Blick ganz besonders auf Frauen zu richten: sie feiert 2019 „100 Jahre Frauenstudium“.
Den tiefgreifenden Wandel wagen
Die multiplen Krisen der Gegenwart wie Klimawandel, Umweltzerstörung, Ungleichheit, aber auch Konkurrenzdruck und schwindendes Vertrauen in die Politik verlangten nach einer anderen Grundorientierung des Gesellschaftssystems, so kfbö-Vorsitzende Veronika Pernsteiner: „Wir brauchen einen tiefgreifenden Wandel hin zu einem System, das auf Genügsamkeit, Kooperation und Solidarität beruht“. Zahlreiche Initiativen erprobten bereits diesen Wandel, neben Beispielen wie WODSTA geben es etwa jene indigener Gruppen, die ihr Land gemeinschaftlich besitzen und bearbeiten, oder Kleinbäuer*innen, die nicht für Geld sondern die Befriedigung der Bedürfnisse ihrer Gemeinschaft produzieren, aber auch das Beispiel von foodcoops und anderen Netzwerken, die hierzulande solidarische und nachhaltige Alternativen aufbauen. „Wandel passiert im Kopf“, so die stellvertretende kfbö-Vorsitzende Petra Unterberger, „und er muss überall ansetzen, hier wie dort“.
Streikende SchülerInnen: „Das ist eine Antwort“
Festrednerin Fartacek verwies auf das Vorbild der gegenwärtig in ganz Europa für einen Wandel in der Klimapolitik streikenden Schüler*innen: „Das ist eine Antwort“. Denn: „Entwicklungszusammenarbeit beginnt für mich hier bei uns, vor unseren Türen“. Auch Stefanie Dvorak zählte in ihrem Beitrag die streikenden Schüler*innen zu jenen Menschen, denen dringend Gehör geschenkt werden müsse, ebenso wie Papst Franziskus, der in seiner Enzyklika „Laudato si“ eine die Rechte von Menschen und Natur achtende Wirtschaft und Gesellschaft fordere, oder die Frauenrechtlerin Hildegard Burjan, die sich vor mehr als 100 Jahren für soziale Rechte stark gemacht habe.
Das Gemeinwohl als Aktionsrahmen sehen
„Die Frage ist, hier wir dort, in Afrika, Amerika, Asien, Europa, Österreich: Stellen wir uns Realitäten? Agieren wir aus einem Bekenntnis zum Gemeinwohl heraus? Entscheiden wir uns für das Leben?“, so kfbö-Vorsitzende Veronika Pernsteiner. Die Klimakrise würde trotz zahlreicher Studien und Zahlen, die sie belegten, von vielen Verantwortungsträgern nach wie vor geleugnet. Das gebe auch im Blick auf die bevorstehenden EU-Wahlen zu denken: „Eine Studie in Berlin hat kürzlich ergeben, dass zwei Drittel der Abgeordneten rechter Parteien im Europaparlament regelmäßig gegen Klima- und Energie-politische Maßnahmen stimmen, die notwendig wären zur Erreichung der Ziele des Pariser Klimaabkommens“. Laut Euro-Barometer könnten nach der EU-Wahl im Mai rechte und EU-skeptische Parteien mehr als 20 Prozent der EU-Abgeordneten stellen.
Appell an Bundesregierung: Verantwortung übernehmen und EZA-Topf füllen
Pernsteiner appellierte überdies an die österreichische Bundesregierung, ihre Verantwortung für eine gerechte Beteilung des EZA-Topfes im österreichischen Budget wahrzunehmen: „Stellen Sie bei Gesetzesentwürfen bereits im Vorfeld sicher, dass die Auswirkungen von Gesetzen auf entwicklungspolitische Ziele mitbedacht und überprüft werden“, so die kfbö-Vorsitzende. Im Sinne der übergeordneten Entwicklungsziele möge die Bundesregierung dafür sorgen, dass Parlament, Zivilgesellschaft und wissenschaftliche Institutionen Mitsprache- und Mitgestaltungsrecht wahrnehmen können.
[fkaineder]