Nicht als trübe Tasse durch die Gegend laufen
Regisseur Hermann Vaske (Mitte) mit Kameramann Phedon Papamichael und Regieassistent Eugene Brady am Set von „Who Killed the Idea“.
Ist Kreativität ein Urtrieb der Menschen?
Gehen wir nicht 30 Jahre an den Anfang meines Projekts, sondern rund 30 Millionen Jahre zurück, als die Menschen Mammuts und sonstige Tiere mit Speeren gejagt haben. Sie haben diese Begebenheiten dann in ihren Höhlen gezeichnet und zu Kunstwerken verarbeitet, die man heute noch begutachten kann. Also: Ja, ohne Wenn und Aber ist sie ein Urtrieb in meinen Augen.
Müssen Menschen ihre Kreativität ausdrücken können, um zu überleben?
Kreativität ist mit Sicherheit Überlebensmittel. Sie ist so natürlich wie das Atmen. „It’s as necessary as eating and breathing”, wie man so schön sagt.
Muss die Fähigkeit zu Kreativität gefördert werden?
Das ist natürlich wie mit jedem Muskel: Man muss ihn trainieren. Kreativität ist quasi eine Gymnastik des Gehirns, also muss das Gehirn natürlich trainieren. Kreativität kann so gefördert werden, dass sie erblüht, sie kann aber natürlich auch abgestumpft werden.
Was bedeutet es, ein waches Leben zu führen, warum müssen helle Geister wach durchs Leben gehen?
Wach zu sein ist superwichtig. Man muss auf Situationen reagieren können. Zum Beispiel sehe ich plötzlich etwas und muss zugreifen. Es ist wie in New York: „You don’t have a second chance.” Es geht immer darum, das Momentum zu nützen. Wach sein bedeutet natürlich auch zu sagen: „Ich bin wie eine Antenne, ich nehme einfach Sachen auf. Oder wie ein Schwamm, der einfach permanent in der Lage ist „to suck you in“, also Sachen aufzunehmen, zu verarbeiten und im Dialog zu neuen Ergebnissen zu kommen. All das kann man natürlich nicht, wenn man als trübe Tasse durch die Gegend läuft.
Muss Wachheit gegenseitig befruchtend sein oder kann man mit sich alleine wach sein?
Wach sein kann man schon auch alleine. Man kann auch mit sich selbst brainstormen. Aber natürlich ist es oft „more fun to brainstorm with others“, also zusammenzuarbeiten im Team. Gerade im Film, denn die filmischen Kapazitäten beispielsweise eines Eremiten sind wahrscheinlich begrenzt (lacht).
Welche Menschen sind die wachsten, die kreativsten?
Das ist schwierig zu beantworten, denn jeder hat natürlich für sich eine eigene Wachheit. Egal ob es nun die Architektin ist, oder der Philosoph oder eine spirituelle Figur wie der Dalai Lama. Der ist superwach wie ich ihn erlebt habe. Ich habe keinen „Wachmeter“ laufen lassen, der mir sagt, wer am wachsten ist.
Hermann Vaske stellte sich die Frage: „Why are we creative?“
Warum war es für Sie wichtig, religiöse/spirituelle Menschen in Ihre Suche miteinzubeziehen?
Weil ich das meditative Element, die spirituelle Übung schon immer geschätzt habe. Die Frage lautet, wo unsere Reise hingeht. Diese Frage haben alle großen Religionen gemeinsam. Und das ist natürlich schon eine Frage, die auch mit Kreativität zu tun hat. Insofern gibt es da eine Korrelation zwischen Kreativität und Spiritualität. Ich sehe Spiritualität ganz klar als wichtige Säule der kreativen Stimuli. Spiritualität ist ein wichtiger motivierender Faktor.
Welche verschiedenen Formen von Kreativität gibt es?
Zunächst einmal gibt es immer die Idee, ohne die Idee ist alles nichts. Es ist genau wie beim Skript im Film. Ohne ein Skript läuft nichts und die Qualität des Skripts ist grundlegend für alles weitere. Sie können aus einem mittelmäßigen Skript keinen wirklich guten Film machen. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Es ist immer gut, wenn man einen Plan hat. Besser einen Plan zu haben als keinen (lacht).
Wer ist Hermann Vaske?
Being Hermann Vaske is being Hermann Vaske.
Man sagt, manche Menschen sind ihrer Zeit voraus oder Kinder der falschen Zeit?
Natürlich spielt der Zeitgeist eine Rolle oder Timing - oder Momentum. Man kann natürlich Ideen auch zu früh enthüllen, wenn sie noch nicht so richtig fertig sind oder die Präsentation noch nicht dementsprechend aufbereitet ist. Wie man im Englischen sagt „it was not cooked“. Eine Idee muss durchgedacht, gekocht sein und dann kann man sie präsentieren. Manchmal hängt das Schicksal der Idee am Timing. Wenn man zu früh mit ihr an die Öffentlichkeit geht, zerstört man sie. Die Gesellschaft ist nicht immer bereit. War sie zum Beispiel bereit, als Strawinsky „Le Sacre de Printemps“ in Paris aufgeführt hat und ausgebuht wurde? Offensichtlich nicht. Es war wohl schlechtes Timing (lacht). Es gibt auch den schönen Song von George Gershwin „They all laughed“ mit der Zeile „They all laughed at Christopher Columbus when he said the world was round”, das ist ein ganz treffendes Lied.
Wie würden Sie das Projekt kurz zusammenfassen?
Mir geht es um die kreativen Stimuli der Menschen, um das, was uns inspiriert, das zu tun, was wir tun. Das ist es, um was es mir in meinem Projekt, im Film geht. Es ist immer ein Diskurs über Kreativität per se und auch darüber, warum wir manchmal nicht kreativ sind. Es geht um Disziplin, kreative Einflüsse und das, was spontan aufkommt. „Why are you creative?“ ist mehr als ein Film. Es ist auch eine Ausstellung mit grafischen Arbeiten und Zeichnungen der Mitwirkenden, die ich in Museen in Berlin, Frankfurt und Cannes ausgestellt habe. „Why are you creative?“ ist eine kardinale, universelle Frage, eine Konstante, die sich bei mir jetzt seit 30 Jahren durchzieht. Sie ist eine Schlüsselfrage, die so naiv daherkommt. Sie ist eigentlich die Frage nach dem Sinn des Lebens.
Welchen Rat würden Sie der nächsten Generation kreativer Köpfe geben?
Denselben, den George Lois mir ins Buch geschrieben hat: „Be reckless Hermann. Let you be you and be different and don’t ask for approval.” Also: Einfach machen, waghalsig sein, man selbst sein und nicht um Erlaubnis bitten!
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[mschauer]