Zwei Gedenkprojekte in Ordensschulen
Seelenmesse in der Wiener Schottenkirche (c) P. Christoph Merth OSB
Schulzentrum Friesgasse gedenkt der November-Pogrome
Die ersten November-Tage stehen im Jahr 2018 ganz im Zeichen des Gedenkens an die November-Pogrome vor 80 Jahren. Im Schulzentrum Friesgasse der Schulschwestern Notre Dame haben sich Schülerinnen und Schüler im Rahmen des Wahlpflichtfachs Geschichte intensiv mit den Ereignissen im Jahr 1938 auseinandergesetzt. Neben einer Gedenkveranstaltung haben sie unter anderem an einer Wanderausstellung gearbeitet und sich dabei auf die Suche nach dem jüdischen Leben in ihrem Bezirk Rudolfsheim-Fünfhaus gemacht.
"Auch im Regelunterricht stelle ich seit vielen Jahren fest, dass das ein wichtiges Thema für die Schüler ist. Im Wahlpflichtfach ist es noch vertiefter u beim miteinander Arbeiten absolvieren sie das mit großem Engagement und Begeistertung." berichtet der Geschichtelehrer des Schulzentrums von der Entstehung des Projekts. Der Schüler Michel Jovic erzählt gegenüber Ö1: "Am Anfang sind wir als ganzes Wahlpflichtfach spazieren gegangen im 15. Bezirk und haben uns die Punkte angeschaut und sie fotografiert, damit wir sie später vergleichen können mit dem Früher und Heute.Dann haben wir Texte bekommen im Unterricht, die wir dann ausgearbeitet und für andere zusammengefasst haben, damit sie sich auch auskennen."
Schottengymnasium: Gedenkmesse und Enthüllung einer Gedenktafel für in KZ Auschwitz ermordeten ehemaligen Schüler am 9. November
„In memoriam Dr. Günter Fischer, 1907 Wien – 1943 Auschwitz, Rechtsanwalt, Maturajahrgang des Schottengymnasiums 1925“, so lautet die Inschrift auf einer Gedenktafel, die am 9. November am Wiener Schottengymnasium im Rahmen eines kleinen Festakts enthüllt wurde. Günther Fischer, jüdischer Herkunft und getauft, war in den 1920er Jahren Schüler am Wiener Schottengymnasium. 1943 wurde er im Konzentrationslager Auschwitz von den Nationalsozialisten ermordet. Mit der Gedenktafel will die Schule die Erinnerung an ihn und auch an zahlreiche Schottenschüler jüdischer Herkunft, die vor 1938 das Gymnasium besuchten, hochhalten.
Es war der Neffe von Dr. Günther Fischer, der sich Ende 2017 an das Schottengymnasium wandte und vom Schicksal seines Onkels berichtete – verbunden mit einem Anliegen: Dr. Wolfgang Fischer, ebenfalls jüdischer Herkunft und getauft, regte an, die Erinnerung an seinen Onkel, der in Auschwitz ermordet worden war und für den es weder eine Grab- oder Gedenkstätte gibt, mit einer Gedenktafel am Schottengymnasium aufrechtzuerhalten. Darüberhinaus bestand der Wunsch für seinen verstorbenen Onkel in der Schottenkirche eine Seelenmesse zu feiern. Ein Ansinnen, das auch dem Schottengymnasium ein großes Anliegen war: Daher wurde am 9. November 2018 ein Pontifikalrequiem für den Verstorbenen gefeiert, anschließend wurde im Rahmen eines kleinen Festakts eine Gedächtnistafel im Schulgebäude enthüllt. Daran teilgenommen haben neben den Angehörigen von Günther Fischer und Repräsentanten aus Schottengymnasium und Schottenstift auch Markus Figl, Bezirksvorsteher Innere Stadt.
Dazu Abt Johannes Jung : „Der Gottesdienst und die Enthüllung der Tafel nennen den Namen eines – fast – Vergessenen und halten ihn dadurch in Erinnerung. So gehört Günther Fischer ausdrücklich zur Geschichte des Schottengymnasiums.“
Günther und Wolfgang Fischer: Verfolgt und vertrieben
Günther Fischer, geboren 1907 in Wien, war in den 1920er Jahren Schüler des Schottengymnasiums und maturierte hier 1925. Bis 1938 wohnte der studierte Jurist am Schottenring 35 in der Wiener Innenstadt. Nach einer dramatischen Flucht wurde Dr. Günther Fischer 1943 im Konzentrationslager Auschwitz ermordet.
Auch sein Neffe, Wolfgang Fischer, 1933 in Wien geboren, blickt auf eine dramatische Lebensgeschichte zurück, musste doch auch er damals vor dem Naziregime fliehen: Seine Flucht führte ihn und seine Mutter zuerst nach Jugoslawien, doch da der vorübergehende Unterschlupf allmählich zu gefährlich wurde, mussten beide 1940 nach Wien zurückkehren. Nach der Deportation seines Onkels in das Konzentrationslager Auschwitz flüchteten Mutter und Sohn in das Ausseerland, wo die Familie seit Generationen einen Feriensitz hatte. Wolfgang Fischer und seiner Mutter gelang es zu überleben, nach Kriegsende besuchte Wolfgang Fischer das Realgymnasium Wien XVII und maturierte hier 1953. Nach einem Studium der Kunstgeschichte, Archäologie und Geschichte entschloss er sich nach London zu ziehen, wo er Kunstsammler und Kunsthändler wurde. Hier lebte übrigens auch sein Vater, der bereits 1939 nach England geflohen war, um dort nach Existenzmöglichkeiten für seine Familie zu suchen. Er wurde jedoch vorerst als „enemy alien“ interniert, später unterstützte er die britische Armee als Freiwilliger im Kampf gegen das Hitlerregime.
Zeitzeugen: Geschichte aus erster Hand für Schülerinnen und Schüler
Seine Lebensgeschichte – und auch die seines Onkels – erzählte Zeitzeuge Wolfgang Fischer auch den Schülerinnen und Schülern des Schottengymnasiums im Rahmen eines Vortrags. „Eine permanente Auseinandersetzung mit Geschichte und somit auch mit der Geschichte der eigenen Schule ist wichtig und unabdingbar. Einen Zeitzeugen kennenzulernen und seine persönliche Geschichte zu erfahren, ermöglicht eine noch viel tiefere Auseinandersetzung damit. Daher sind wir sehr dankbar, dass sich Dr. Fischer die Zeit genommen hat unseren Schülerinnen und Schülern aus seinem Leben zu erzählen und einen intensiven Einblick in die schreckliche Zeit des Nationalsozialismus zu geben“, so Josef Harold, Direktor des Schottengymnasiums.
Die Lebensgeschichte von Günther Fischer hat die Schule auch zum Anlass genommen, sich künftig noch intensiver mit der Geschichte anderer Schüler jüdischen Glaubens, die vor 1938 die Schule besucht hatten, auseinanderzusetzen und diese gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern aufzuarbeiten. „Dies ist umso mehr Verpflichtung, als wir von der freundschaftlichen Verbundenheit vieler Vertriebener bis an ihr Lebensende wissen“, so Abt Johannes Jung.
[mschauer]