Heini Staudinger über das Arsenal der ungelebten Dinge
Der sprießende Garten der Arche Noah in Schiltern war Kulisse für das erste Gespräch aus der Schwerpunktreihe „viel mehr wesentlich weniger“, das als Ouvertüre für das JAHR DER ORDEN 2015 von den Ordensgemeinschaften Österreich geplant wurde. Der Erfolg der Waldviertler Schuhwerkstatt basierte vor allem auf der Ernte von Durchhalten, erzählte GEA-Gründer Heini Staudinger. „Wenn ich eine Sache betreibe, dann bleibe ich auch daran.“ Das sei auch der Grund gewesen, warum man im Waldviertel, also bewusst regional geblieben sei.
Stabilitas: Treue zum eingeschlagenen Weg
Abtpräses Christian Haidinger, erster Vorsitzender der Superiorenkonferenz der männlichen Ordensgemeinschaften Österreichs, findet dazu Parallelen zum Benediktinerorden: „Wir haben den Begriff der Stabilitas. Das ist einerseits die Ortsgebundenheit, aber im übertragenen Sinn ist das auch die Treue zur Gemeinschaft und zum eingeschlagenen Weg.“ Heini Staudinger ergänzte: „Es gibt in unserem Leben nichts Edleres als diesen Lebensraum zu pflegen, in dem wir leben. Es ist sinnvolle Verpflichtung einer halbwegs erfolgreichen Wirtschaft, nicht nur an sich selbst zu denken, sondern auch an sein Umfeld.“
Sehnsucht nach Erfüllung
Auf die Frage, ob eine Sehnsucht der Menschen mit einem Weniger gestillt werden könnte, meinte Staudinger, Verzicht sei in unserer Gesellschaft negativ besetzt, aber in Wirklichkeit heiße das nur Befreiung vom Überfluss. „Wenn ich durch den Supermarkt an den 10.000 Dingen verbeigehe, die ich nicht brauche, dann wird mir der Mangel so richtig bewusst. Die Unfähigkeit, mit dem, was da ist, genug zu haben.“ In dieselbe Kerbe schlägt auch Abtpräses Haidinger: „Ich habe den Eindruck, dass wir mit allen möglichen Dingen angefüllt sind, aber von wenigen erfüllt sind. Ich denke, dass eine Sehnsucht nach Erfüllung bei den Menschen spürbar ist.“
Die ungelebten Dinge
Wie sei diese erreichbar? "Und wenn ich abends immer weiterginge aus meinem Garten, drin ich müde bin, - ich weiß: dann führen alle Wege hin zum Arsenal der ungelebten Dinge.", zitiert Heini Staudinger den Dichter Rainer Maria Rilke. Seine Interpretation: "Arsenal, das ist eine Waffenkammer. Wenn meine ungelebten Dinge immer größer werden, dann füllt sich meine Waffenkammer mit Aggression gegen die Natur, gegen meine Mitmenschen und gegen mich selbst.“ Für den Ordensmann Haidinger besteht die Lösung darin, dem Ruf Gottes zu folgen. Der Rhythmus, den ihm die Ordensregel vorgibt, gibt ihm auch Halt in seinem Leben. „Das ist die Zeit, wo ich ganz ich sein kann, wo ich zu mir selber finde.“
Armutsgelübde als große Bereicherung
Braucht es Mut, den gesellschaftlichen Zwängen und Vorgaben zu widersprechen und nicht mitzumachen? Heini Staudinger: „Die angeblich guten Gründe, die es gibt, um sich Sachzwängen zu beugen, schaffen nur kurzfristig ein bisserl Entspannung. Langfristig ist es aber ein sanftes Gift, das dich auffrisst.“ Und Abtpräses Haidinger ergänzt: „Das ist eine individuelle Angelegenheit. Einige haben sicherlich den Mut. Ich erlebe mein Armutsgelübde als ganz große Bereicherung. Der heilige Benedikt hat gesagt, es sind nicht alle Menschen gleich.“
Das ganze Interview wird auf Youtube veröffentlicht. Die Schwerpunktreihe „viel mehr wesentlich weniger“ wird bis zum Oktober fortgesetzt.
Ansprechpartner: Ferdinand Kaineder, 0699 / 1503 2847
[rs]