Die Ja-Sager sind die Totengräber
"Die Regel Benedikts ist kein Wirtschaftsbuch, dennoch stellt sie eine Orientierungshilfe für Wirtschaftskräfte dar." Notker Wolf muss die Ordensregel ganz besonders gut kennen, schließlich wurde er am 7. September 2000 zum neunten Abtprimas und damit zum obersten Repräsentanten des Benediktinerordens gewählt. Mittlerweile wurde der 1940 in Bad Grönenbach geborene Ordensmann in seiner dritten Amtsperiode bestätigt; damit ist er weltweiter Sprecher des ältesten Ordens der Christenheit mit rund 16.500 Ordensfrauen und 7.500 Ordensmännern.
Umgang mit Menschen ist reformbedürftig
Erst dann sei man ein wahrer Mönch, wenn man von seiner Hände Arbeit leben kann, zitierte Abtprimas Wolf die Regel des heiligen Benedikt, und ganz ohne Wirtschaften gehe es auch nicht. Doch die Bewältigung der aktuellen Krise, in der sich die Wirtschaft, aber auch Gesellschaft und Kirche befinden, müsse zuerst beim Menschen beginnen. Nicht die Machtstrukturen müssten reformiert werden, sondern der Umgang der Menschen mit Strukturen sei reformbedürftig.
Keine One-Man-Show
Als Führungskraft dürfe man nicht vergessen, dass es "eine Ordnung braucht, keine Unterordnung". Der heilige Benedikt sah seine Schwestern und Brüder als Partnerinnen und Partner. Die Vorstandsvorsitzende oder der Vorstandsvorsitzende sei schon wichtig, doch sie oder er sei nicht die Firma. Diese brauche Mitarbeiterinnen und die Mitarbeiter. "Was ist ein Dirigent ohne Orchester", brachte Wolf ein Bild aus der Musik zur besseren Erläuterung. Auch ein Abt sei keine One-Man-Show; auch er rufe bei wichtigen Angelegenheiten sämtliche Brüder zusammen und berate sich. Dabei sollen gerade auch die Jüngsten miteinbezogen werden.
Angstfreies Zusammenleben
Unternehmenschef wie Abt seien verantwortlich für ein menschliches und vor allem "angstfreies Zusammenleben". Papst Franziskus mache dies für die Weltkirche besonders deutlich, "wenn er zu den Kardinälen sagt, dass er keine Ja-Sager will". Und weiter: "Die Ja-Sager sind die Totengräber!"
Voraussetzung dafür sei allerdings der Wille, Rat zu suchen und auch Rat anzunehmen. Das sei auch ein Zeichen des Respekts. Das Ziel guter Führung sei immer, "den Menschen in seinem Wert und in seiner Würde zu erhalten", betonte der Abtprimas. Nicht wegschauen, sondern das Gespräch suchen und dabei Fehlverhalten klar benennen - dies sollte im Kloster genauso wie in der Firma gelten und sei notwendig, um eine Gemeinschaft zu erhalten.
Blick auf den Gesamtzusammenhang
Gerade in einer digitalisierten Welt könne man leicht die Orientierung verlieren. Notker Wolf erzählte anschaulich das Beispiel eines Menschen, der nur mehr ins Navi schaut, aber in Wirklichkeit keine Ahnung hat, wohin er tatsächlich fährt; es fehlt ihm der Überblick. So ähnlich scheine es auch in der Wirtschaft zu gehen; der dauernde Blick in die “Excel-Listen” verhindere den Überblick, den Gesamtzusammenhang. Es geht nur mehr um Zahlen, um Gewinn. "Bisher hieß es: Gewinnmaximierung! Aber reicht das?", fragte sich Wolf. Und gab auch gleich die Antwort: "Es geht aber um viel mehr. Als Führungskraft darf man nicht vergessen, dass es hier um Menschen geht und um ein menschenwürdiges Leben. Wir tragen den Menschen gegenüber Verantwortung!" Und weiter: "Keiner ist eine Schachfigur!"
Abt wie Vorstandsvorsitzender müssten dabei "Träger der Vision, Zugpferd, aber auch Störenfried" sein, sagte Abtprimas Wolf. Er betonte auch, dass er mehr Frauen in Führungsposition begrüßen würde, weil sie "empathischer sind, mehr aushalten und meist auch den größeren Überblick haben".
Sorgsamer und transparenter Umgang mit Geld
"Geld ist immer eine Versuchung", hielt Wolf fest und verwies dabei auf die "durch die Gier Weniger" ausgelöste weltweite Finanzkrise. Schon der heilige Benedikt habe die Gefahr von Gier und Geiz gekannt und daher in der Regel festgehalten, dass die Mönche ihre Produkte "immer etwas billiger als andere" verkaufen sollten. Dies bedeute aber keine feindliche Haltung gegenüber dem Kapital: Sowohl Unternehmen als auch Klöster bräuchten Kapital für Investitionen und weil sie Arbeitgeber sind. Berechtigt sei jedoch die kritische Anfrage, "wie man zum Gewinn gekommen ist und was man damit tut", betonte der Abtprimas und würdigte von daher Papst Franziskus und seine drastische Kritik an Zuständen, wo nicht mehr der Mensch, sondern das Geld allein im Zentrum steht. Auch von Klöstern und der Kirche insgesamt sei "bei den Finanzen mehr Transparenz" zu fordern.
[rs]