Neugierig auf das Fragezeichen
Die Tür steht offen, der Eingangsbereich ist mit Luftballons und Blumen dekoriert. Neugierig schauen Menschen durchs Fenster. Der große schwarze Flügel nimmt einen Großteil des Raumes ein. Viele schauen zweimal hin, sind sich nicht sicher, ob es sich um einen Konzertsaal oder einen Gebetsraum handelt. Oder ist es lediglich eine Location für Veranstaltungen? Alles wirkt modern, hell, wohnlich, gemütlich: Eine einladende, angenehme Atmosphäre. Keine Schwelle. Und doch verharren viele Menschen unentschlossen draußen im Zwettlerhof, bevor sie eintreten.
Der Name „Quo vadis?“ mit Fragzeichen ist bewusst gewählt, versichert die Leiterin des Zentrums, Daniela Köder: „Diese programmatische Frage steht für das, was das Team hier macht. Alle, die hier hereinkommen, finden Raum zum Innehalten, als Impuls, sich persönlich die Frage zu stellen: Wohin gehe ich in meinem Leben? Es passt, dass hier ein Fragezeichen dabei ist!“
Das „Quo vadis?“ im ersten Wiener Bezirk bietet durch ein vielfältiges Angebot unterschiedlichen Menschen individuelle Zugänge zur Spiritualität. Dafür wurde ein eigenes Raum-Konzept erstellt: kultur.RAUM – pilger.RAUM – dialog.RAUM – orientierung.RAUM – spiritualität.RAUM.
Darin: Ruhe in der Hektik der City. Ein offenes Ohr. Stille. Begegnung. Orientierung und Aufbruch.
Die einzige Voraussetzung: Die Bereitschaft, sich einzulassen.
Auch in der Langen Nacht der Kirchen macht das Fragezeichen neugierig. Sind jene, die durch die großen Scheiben schauen, endlich eingetreten, erleben sie mit, was das „Quo vadis?“ hinüberbringen will: Orden, Kultur, Meditation.
Missionare auf Zeit
Was junge Menschen im Rahmen der Orden erreichen können, auch wenn sie nicht dazugehören, schilderte Mirijam Salfinger im „Quo vadis?“ bei der Langen Nacht der Kirchen. Sie hatte sich nach ihrer Reifeprüfung für den Freiwilligendienst einer Ordensgemeinschaft gemeldet. Während andere zu studieren begonnen haben, ging sie als „Missionarin auf Zeit“ nach Mar del Plata, Argentinien, und arbeitete in der Gefangenenpastoral. Einige junge Leute aus ihrem Freundeskreis konnten zunächst wenig Verständnis dafür aufbringen. Da hieß es: „Was, du gehst jetzt missionieren?“ Für Mirijam waren es prägende Erfahrungen.
Raum für Begegnungen. © Martina Raab
Welche Voraussetzungen muss jemand für einen derartigen Auslandseinsatz mitbringen? „Vor allem Offenheit“, informiert die Moderatorin Schwester Hemma Jaschke von den Steyler Missionsschwestern: „Man teilt mit den Menschen, was vor Ort passiert. Jeder bringt das Seine ein und bekommt viel zurück!“
Begabt und berufen
Seit „Sister Act“ oder „Sound of Music“ verbinden viele eine Klosterschwester in erster Linie mit Gesang. Aber eine Pianistin? Das hat Seltenheitswert, ist etwas Ausgefallenes und für die meisten kaum vorstellbar. Konzertsaal oder Klostermauern – diese Entscheidung stellt sich für Joanna Jimin Lee, die im „Quo vadis?“ arbeitet, nicht. Sie sieht sich als Ordensfrau, die Pianistin ist und ein Leben für Gott und die Musik führt. Sie empfindet Musik als täglichen Beitrag für Menschlichkeit. Schwester Lee stammt aus Korea, ihre Studien führten sie nach St. Petersburg, Wien und Salzburg. Sie ist Preisträgerin zahlreicher namhafter Wettbewerbe, auch des Bösendorfer-Wettbewerbs 2000. Der Gewinn war jener kostbare Bösendorfer-Flügel, der nun im „Quo vadis?“ steht. Seit 2013 ist Joanna Lee Ordensschwester bei den „Missionarinnen Christi“. In Kooperation mit der Katholischen Hochschulgemeinde initiierte sie die „Werkstattkonzerte“ im „Quo vadis?“, die jungen Musikstudierenden eine Auftrittsmöglichkeit bieten. „Für mich ist dieses Zentrum etwas Besonderes wegen der Vielfalt der Räume. Es macht neugierig und überrascht. Ich mag die Begegnungen mit Menschen, die aus unterschiedlichen Beweggründen herkommen!“ erzählt sie und bereitet sich auf ihren Einsatz in der Medidation vor.
Die Nacht leuchtet wie der Tag – Meditation trifft Musik: Daniela Köder, die Leiterin von „Quo vadis?“, Florian Mayrhofer, von dem Konzept, Komposition und Text der Meditation stammt, und Joanna Jimin Lee am Flügel. © Martina Raab
Meditation zur Nacht
Zu Beginn werden Kerzen entzündet: „Die Nacht leuchtet wie der Tag“, heißt die Meditation, zu der „Quo vadis?“ in der Langen Nacht der Kirchen lud. Das „Quo vadis?“-Team ist überzeugt, dass Worte und Musik einander ergänzen und intensivieren, und eine ganz spezielle Kraft vermitteln. Daraus entstehe ein besonderes Erlebnis, das noch lange nachklingt. Der Theologiestudent Florian Mayrhofer hat für die Meditation Psalmen und Texte passend zum diesjährigen Motto ausgewählt und die entsprechende Musik dazu komponiert, am Flügel: Joanna Jimin Lee.
Zu-Sich-Kommen, Sich-Besinnen, Zur-Ruhe-Kommen: Der letzte Ton ist verklungen, die Hand der Pianistin verharrt noch über den Tasten. Von draußen hört man Sprachfetzen und Schritte. Drinnen ist man bei der „Zeit der Stille“ angelangt. Das „Quo vadis?“ als Oase der Ruhe im Trubel der Innenstadt.
„Auch wenn die Kerzen jetzt schon niedergebrannt sind, so trage jede und jeder von Ihnen dieses Licht in sich, wenn Sie jetzt hinausgehen in die Nacht“, beschließt Florian Mayrhofer die Meditation. Während der besinnlichen Stunde hatten alle den auf die Wand gemalten Schriftzug „Quo vadis?“ vor sich und erfahren: Voraussetzung für das „Wohin gehst du?“ ist die Standortbestimmung „Wo steh’ ich überhaupt?“. „Quo vadis?“ hilft, diese Frage zu lösen. Wie, muss jeder an Spiritualität Interessierte selbst herausfinden. Die Lange Nacht der Kirchen bot die Gelegenheit dazu.
Das „Quo vadis?“
Es ist ein offenes Begegnungs- und Informationszentrum der Ordensgemeinschaften Österreich, unweit des Stephansdoms. Ein Raum für Begegnung, kirchliche Information, Konzerte – aber auch Stille und Meditation. Infostelle für Pilger und Pilgerinnen, Freiwilligeneinsätze im Ausland und am Ordensleben Interessierte.
„Es kommen Mütter mit Kinderwagen, die kurz einmal in Ruhe einen Kaffee trinken wollen; Schulklassen, Pilger, die sich über Pilgerwege informieren wollen oder Menschen, die wissen möchten, was Orden sind und was sie bieten, und Suchende im Glauben“, sagt die Leiterin, Daniela Köder.
Die Angebote von „Quo vadis?“ richten sich an alle Menschen, unabhängig von Alter, Konfession oder Bildung. Daniela Köder: „Wir informieren über die gesamte Bandbreite dessen, wofür Orden stehen. Von Pilgern bis Freiwilligenjahr, von Kloster auf Zeit bis zu Orientierungstagen für Firmkandidaten. Das Schöne und zugleich das Schwierige ist, das große Angebot zu koordinieren.“
Die Theologin Daniela Köder ist seit heuer Leiterin des Zentrums. Sie folgte P. Stefan Weig, der nun als Hochschulseelsorger in Eichstätt wirkt.
Wesentliches Anliegen des „Quo vadis?“ und seiner neuen Leiterin ist es, „Ordensleute und an Orden Interessierte zu vernetzen. Das Zentrum als eine Außenstelle der Klosterpforten? Das Zentrum verfolge keineswegs die Intention, eine Quote zu erfüllen: „Nicht wir machen Berufung. Gott beruft Menschen. Wir können dazu beitragen, dass jemand diesen Ruf wahrnehmen kann“, betont Daniela Köder.
Infos:
Quo vadis?
Stephansplatz 6, 1010 Wien
Tel +43 (0) 1 512 03
Kontakt: office@quovadis.or.at
www.quovadis.or.at