Dialog-Wort und Friedens-Symbol
Abt Georg Wilfinger hob in seiner Begrüßung hervor, dass Dialog ein Risiko sei, weil sein Verlauf niemals abzusehen sei, und dass dort, wo es nicht mehr gelinge, den anderen zu verstehen, die Frage der Anerkennung beginne. Europa habe aufgrund der staatlich garantierten Religionsfreiheit die Aufgabe, zu einem Laboratorium fördernden Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher religiöser und säkularer Überzeugung zu werden. Mittels einer Videobotschaft richtete Bundesminister Sebastian Kurz seine guten Wünsche für die Veranstaltung aus. Der Superintendent der Diözese Niederösterreich, Mag. Lars Müller-Marienburg von der evangelischen Kirche, und Frau Mag. Ingrid Oberndorfer (in Vertretung von Sarah Egger) vom Christlich-jüdischen Koordinierungsausschuss bereiteten mit Kurzvorträgen auf den Dialog vor. Beide Vorträge leiteten aus der Geschichte einen Auftrag zum Dialog ab: Lars Müller-Marienburg entwickelte aus den Anliegen der Reformation die zwei Prinzipien Pluralitätsfähigkeit und Demokratiefähigkeit als Beitrag für interreligiöse Verständigung, während Mag. Ingrid Oberndorfer auf die Bedeutung hinwies, die Österreich seit seinem Werden in der Zeit der Babenberger als Ort in der Mitte Europas zukomme.
Vier Bäume
Nach den intensiven Gruppengesprächen folgte der symbolisch-spirituelle Abschluss des Tages. Seine Exzellenz Hussam AlHusseini, Botschafter des haschemitischen Königreichs Jordanien in Österreich, gab als Initiator der Veranstaltungen zur Interfaith-Harmony-Week in Österreich der Freude Ausdruck, dass diese Begegnung auch heuer wieder stattfinden konnte, und verwies auf die beiden Olivenbäume, die er 2015, im Rahmen des ersten Treffens, aus Jordanien als Symbol des Friedens ins Stift Melk mitgenommen hatte. Sie sind mittlerweile zum ausdrucksstarken Symbol der interreligiösen Begegnungen in Melk geworden. Pater Martin Rothender griff das Motiv der Olivenbäume auf und sprach über die für sie schwierigen klimatischen Bedingungen: Einer der Olivenbäume habe nicht überlebt – ein Symbol für die Gefährdetheit des Dialoges. Auf der Bühne standen jedoch – entgegen mathematischer Logik – vier Bäume. Einer war der „originale“ Baum, einer aus Sorge vom Gärtner des Stiftes angekauft, von zweien sei die Herkunft unbekannt: Sie standen eines Tages im Garten des Stiftes. Handelte es sich um einen symbolischen Beitrag zum Dialog, der auch dann weitergehen müsse und neuer unerwarteter Impulse bedarf, wo andere Spuren versanden und nicht weiterführen? Welcher der vier Bäume der „originale“ sei, war für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht mehr feststellbar … Abt Georg, Botschafter Hussam AlHusseini und Frau Gesandte Mag. Aloisia Wörgetter vom Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres gossen mithin alle vier Bäume. Von dieser symbolischen Ebene ging die Veranstaltung schließlich zu einer spirituellen über. In der Stiftskirche hörten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zunächst der von Georg Buxhofer (E-Bass), Christian Amstätter-Zöchbauer (Posaune) und Dominik Fuss (Trompete) improvisierten Musik zu, um anschließend Kerzen zu entzünden. Der Dialog mittels Worten hatte damit den Charakter einer gemeinsamen spirituellen Feier angenommen. Der Ausklang des Tages fand dann bei einer kleinen Stärkung im Barockkeller statt.
Fotocredit: Franz Gleiss
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