Kein Engel bei der Krippe
Nun ist es da, dieses Geschehen vor 2000 Jahren. Ein Kaiser möchte wissen, wie es in seinem Land aussieht und veranstaltet eine Volkszählung. Was heute einfach durch Mausklick möglich ist, war damals mühsamer, nicht einmal Wahlkarten gab es. Also auf in die Herkunftsstadt und dort konnte man sich registrieren lassen. Auch Josef und Maria machen sich auf den Weg. Auf den ersten Blick nichts Spektakuläres. Auch im Weihnachtsevangelium wird ganz nüchtern berichtet. Sie kamen in die Stadt Davids nach Bethlehem, um sich eintragen zu lassen. Unspektakulär wird auch berichtet, dass Maria ihren Erstgeborenen zur Welt brachte. Für Menschen, die am Land tagtäglich mit Geburt und Sterben konfrontiert waren, ist es die natürlichste Sache der Welt. Gut, man war nicht zu Hause, aber es fand sich ein Platz für die ersten Tage, bis man sich wieder auf den Weg machen wollte. Das eigentlich Spannende könnte sich zwischen Josef und Maria ereignet haben. Beide wussten, dass diese Geburt etwas verändern würde. Nicht einfach die Tatsache, dass jede Geburt im Leben der Eltern einen Einschnitt bedeutet, noch dazu die erste Geburt, sondern um dieses Geschehen herum gab es Besonderheiten. Für Maria eine klare Gotteserkenntnis durch den Engel und ihr ebenso klares „Ja, ich will“. Für Josef zunächst Verwirrung, das Leben gerät aus der Planung heraus, die ein Zimmermann, der eine Familie gründen wollte, für sein Leben hatte. Dann dieser Traum, in dem er auch einen Engel hörte, aber nicht so klar, wie bei Maria. Er wird nicht nach seiner Bereitschaft gefragt, er wird informiert, dass Gott etwas vorhat, bei dem er auch eine Rolle spielen sollte. Wir hören von ihm auch kein klares Ja, er vertraute einfach seiner Verlobten und diesem Geschehen im Traum.
P. Erhard Rauch: "Diejenigen, die Gott entdeckt haben, kehren zurück in den Alltag, sie rühmen ihn und preisen ihn, für alles, was sie gehört und gesehen hatten. Eine wunderbare Engelvermehrung!" Das Foto zeigt die Krippe von St. Michael in Wien I. (c) Salvatorianer
Beiden Menschen ist Gott begegnet. Wir wissen nicht, wie es ihnen gemeinsam ergangen ist. Haben sie in der Zeit der Schwangerschaft über das Geschehen gesprochen? Wie waren ihre gemeinsamen Erwartungen für das Leben, das jetzt begonnen hat? Wo war er jetzt, dieser Engel? Bei der Krippe war er nicht.
Aber er war da. Bei den Hirten auf dem Felde, einige Kilometer weiter. Da wurden Menschen wachgerüttelt, die ihrer Arbeit nachgingen, die von Maria und Josef bis jetzt nichts gehört hatten. Eine ganze Heerschar von Engeln war da.
Grund genug für die Hirten, sich auf die Suche nach Gott zu machen. Sie finden das Kind und erzählen von ihrer Begegnung am Felde. Und es heißt, alle, die es hörten, staunten über die Worte der Hirten. Bei der Krippe war kein Engel, oder doch? Haben nicht die Hirten die Rolle der Engel übernommen? Waren nicht sie es, die voll Begeisterung ihre Gotteserfahrung weiter erzählt haben?
Auch wir sind heute zur Krippe gekommen, wer hat uns angesprochen? Wie sah unser Engel aus, der uns auf Gott aufmerksam machen wollte? Wahrscheinlich hatte er kein weißes Gewand und keine Flügel. Vielleicht sah er aus wie Oma und Opa, die uns hierhergelockt haben. Vielleicht waren es Kinder, die uns mitgenommen haben, oder Kollegen, die uns gesagt haben, hier wird es stimmig sein, die Musiker sind engagiert, die Zeit um 10 Uhr ist auch christlich, die Kirche hat eine Ausstrahlung, es tut uns gut, hierher zu kommen. Ja, Engel haben viele Gestalten: Sie sind Vermittler, sie kündigen an, bereiten Begegnung vor. Sie werden nicht mehr gebraucht, wenn Gott da ist.
Doch da an der Krippe geschieht etwas Sonderbares: Diejenigen, die Gott entdeckt haben, tun dasselbe wie wir es vorher von den Engeln gehört haben: Sie kehren zurück in den Alltag, sie rühmen ihn und preisen ihn, für alles, was sie gehört und gesehen hatten. Eine wunderbare Engelvermehrung!
Egal, aus welcher Motivation wir hierhergekommen sind, wesentlich wird sein, wie wir von hier weggehen. Wenn wir Gott begegnet sind, werden wir etwas verändert die Krippe verlassen. Vielleicht sogar als von Gott gesandte Engel, die für andere Hilfe sind, Not lindern und einen neuen Weg aufzeigen.
Menschwerdung Gottes: Damals in Bethlehem, heute hier mitten unter uns.
[rs]