Dienst an der Verkündigung
Es gab doppelten Grund zur Freude: Erstmals fand die Jahrestagung des Bundesverbandes Kirchenpädagogik in Österreich statt. Und: Das Bildungszentrum St. Virgil war samt Nebenhäusern bis auf das letzte Zimmer ausgebucht. Mehr als 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ganz Deutschland und Österreich waren nach Salzburg gekommen – so viele wie noch nie. In dieser großen Gemeinschaft wollte man sich in den nächsten drei Tagen dem Motto „Gemeinschaft als Thema und Konzept in der Kirchenpädagogik“ annähern.
Die Organisatorinnen Sr. Ruth Pucher (Wien ORDENtlich) und Helga Penz, Leiterin des Referates für die Kulturgüter der Orden, begrüßen die 120 TeilnehmerInnen der Jahrestagung des Bundesverbands Kirchenpädagogik e.V. (c) Ordensgemeinschaften Österreich/Robert Sonnleitner
Das Programm war äußerst ambitioniert und stellte für das Konzeptions- und Organisationsteam, Sr. Ruth Pucher von Wien ORDENtlich und Helga Penz, Leiterin des Referates für die Kulturgüter der Orden, sicherlich eine Herausforderung dar – die die beiden Verantwortlichen mit großer Bravour meisterten. Sowohl die Stadtführungen am Donnerstag (bei klarer Vollmondnacht sicher ein unvergessliches Erlebnis) als auch die zehn Workshops am Freitag, die in zehn verschiedenen Kirchen in Salzburg stattfanden, klappten wie am Schnürchen. Ziel war es, dieTeilnehmerinnen und Teilnehmer neue Aspekte gemeinschaftlicher Kirchenerkundungen erproben zu lassen. Die zahlreichen Kirchen Salzburgs boten dafür viel Raum.
Rekord-Teilnahme: Mehr als 120 TeilnehmerInnen aus Deutschland und Österreich waren zur Jahrestagung des Bundesverbands Kirchenpädagogik e.V. nach Salzburg gekommen. (c) Ordensgemeinschaften Österreich/Robert Sonnleitner
Kirchenpädagogik eröffnet unbekanntes Terrain
Der Donnerstag stand noch ganz im Zeichen des Ankommens und Einlebens. Nach Begrüßungsworten durch die beiden Organisatorinnen Sr. Ruth Pucher und Helga Penz hielt der Schirmherr des Bundesverbands Kirchenpädagogik, der Landesbischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover, Ralf Meister, eine kleine Rede. Darin bedankte er sich für die gute Arbeit, die die vielen Kirchenpädagoginnen und Kirchenpädagogen landesweit leisteten. „Ich glaube, dass Sie einen außerordentlichen Dienst an der Verkündigung der Kirchen leisten, so wie es jede Pastorin, jeder Pastor und jede Kirchenmusikerin und jeder Kirchenmusiker macht. Was Sie in der Erschließung von Räumen und Ereignissen leisten, ist für mich ein Dienst der Verkündigung“, betonte Landesbischof Meister. Und weiter: „Was das für ein Schatz ist, den Sie Menschen eröffnen in oftmals unbekanntes Terrain. Ein Schatz, der in die Gemeinschaft hineinführt.“
Der Bereich Kirchenpädagogik muss sich - obwohl schon seit vielen Jahren praktiziert - sowohl in Österreich als auch in Deutschland erst etablieren. Gerade in Zeiten, in denen die Menschen immer weniger Zugang zur Kirche und zu Kirchen finden, ist es wichtig, sie sozusagen bei der Hand zu ergreifen und sie in den Kirchenraum hinein zu begleiten. Dabei reicht es nicht, sie nur zu berieseln und sie zu passiven Zuhöreren zu machen. Das Ziel lautet, Kirchenbesucher aktiv einzubinden. Der Kirchenraum soll mit allen Sinnen erforscht - Stimme und Berührungen inklusive - und damit auch erlebbar werden.
Vorträge und Workshops kennzeichneten die Jahrestagung des Bundesverbands Kirchenpädagogik e.V. nach Salzburg gekommen. (c) Ordensgemeinschaften Österreich/Robert Sonnleitner
Menschen brauchen einander
Das Impulsreferat hielt die evangelische Ordensfrau Sr. Nicole Grochowina von der Communität Christusbruderschaft Selbitz. In ihrem Vortrag setzte sie sich mit dem Thema „Gemeinschaft als Gabe Gottes? – Vom Wert der Gemeinschaft in der Evangelischen Kirche“ auseinander. „Menschen brauchen tatsächlich einander, um dann für sich und ihre Gemeinschaft Normen, Werte und letztlich auch Kultur auszuhandeln“, so die Ordensfrau und studierte Historikerin. Um auch auf ein aktuelles Thema zu sprechen zu kommen: „Eine Gemeinschaft ist in der Lage, totalitäre Systeme zu verhindern oder zu beenden. Wie geht das? Totalitäre Systeme zerstören alle Bereiche des Lebens. Das heißt in der Konsequenz: Sie isolieren den einzelnen Menschen, sie treiben den einzelnen Menschen in Vereinsamung. Und sie zielen darauf, auch das private Leben endgültig zu zerstören, uniform zu machen. Niemand ist mehr er/sie selbst.“ Und weiter: „Die Folge ist, dass der Vereinsamte sich nicht mehr als Zugehörigkeit zur Welt erlebt. Nach Hannah Arendt ist das die radikalste und verzweifelteste Erfahrung des Menschen, weil ihm nun ein Sinn vorgeschrieben wird, der nicht der Seine ist. Gemeinschaft führt zwar in die Vereinzelung, aber das ist etwas anderes als Vereinsamung. Im Gegenteil, Gemeinschaft führt in die Vereinzelung, verweigert sich aber der Vereinsamung – und damit auch dem Untergang der privaten Individualität. Dies sei möglich, weil die Gemeinschaft etwas Unfertiges ist, immer etwas, das eines Nachdenkens, eines Aushandelns bedarf. Und die Gemeinschaft weiß, dass ihre Werte nur Provisorium sind, die ständig zu überprüfen und bei Bedarf zu verändern sind.“ (Den vollständigen Vortrag wird das Referat für die Kulturgüter der Orden im Herbst veröffentlichen.)
Insgesamt 10 Workshops setzten sich mit unterschiedlichsten Themen der Kirchenpädagogik auseinander. (c) Ordensgemeinschaften Österreich/Robert Sonnleitner
Zehn Workshops
Der Freitag stand mit zehn Workshops, aufgeteilt auf zehn Kirchen in Salzburg, ganz im Zeichen der praktischen Umsetzung. Workshop 1 setzte sich in der Evangelischen Christuskirche unter dem Titel „Ein Leib und viele Glieder - Flucht und Neubeginn in Geschichte und Gegenwart“ mit einem sehr aktuellen Thema auseinander.
Workshop 2 lud ein, sich in der Dreifaltigkeitskirche unter dem Titel „Lobt ihn mit Pauken und Tanz“ an Gruppentänzen bei Kirchenerkundungen zu versuchen. Ähnliches bot auch der Workshop 3 an: „Zum Haus des Herrn wollen wir pilgern“ vermittelte in der Franziskanerkirche Bewegung als Gruppe im Kirchenraum.
Workshop 4 führte die Gäste in das Archiv der Erzabtei St. Peter. „Von Geschlecht zu Geschlecht“ lud zur Spurensuche (und zur Archivpädagogik) in historischen Dokumenten für Groß und Klein ein. Workshop 5 führte unter dem Motto „Gemeinsam Bücher entdecken“ in die Bibliothek der Erzabtei St. Peter. Unter fachkundlicher Anleitung wurde im nicht öffentlich zugänglichen Rokoko-Bibliotheksraum das Ausstattungsprogramm bibliothekpädagogisch erkundet.
Beim Workshop 6 trafen sich die TeilnehmerInnen unter dem Titel „Ein Herz und eine Seele - Der Luther-Lehrer Staupitz und der Konvent von St. Peter“ in der Marienkapelle der Erzabtei St. Peter. Im Mittelpunkt standen hier die klösterliche Gemeinschaft und die klösterlichen Gebetsformen.
„Ich will dabei sein“ - der Workshop 7 fand in St. Blasius statt und setzte sich mit Riten und Orten der Initiation im Kirchenraum auseinander. Und beschäftigte sich mit dem Initiationsritual, mit dem Hineingehen in Kirche und Gemeinschaft.
Die zehn Workshops fanden in zehn verschiedenen Kirchen in Salzburg statt. In der Kollegienkirche zeigte Christian Jordan, dass Klang ein Konstitutivum wie Länge, Breite und Höhe ist. (c) Ordensgemeinschaften Österreich/Robert Sonnleitner
Gut bei Stimme musste man im Workshop 8 in der Kollegienkirche sein: „Weil ich kein Mozart sein muss“ zeigte den Einsatz von Stimme und Klängen bei Kirchenerkundungen. Es ging vor allem darum, den Klang, so wie Länge, Breite und Höhe ein Konstitutivum für den Raum, bewusster zu machen.
Der Workshop 9 führte in der Domkirche in die „Gemeinschaft der Lebenden und Toten“. Die Lebenden traten mit Epitaphen in Dialog mit den Toten. Und da die in der Domkirche begrabenen Menschen zumeist fürstlicher Abstammung waren, war den TeilnehmerInnen eine hochkarätige Zuhörerschaft sicher.
Den Schlusspunkte setzte der Workshop 10: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei.“ Er gab in der Kirche der Benediktinerinnenabtei Nonnberg Anregungen, wie Kirchenführungen mit Brautpaaren, Jubelpaaren und anderen Paaren gemacht werden könnten.
[rs]