Bei der Gestaltung der Vielfalt mischen Ordensleute kräftig mit
Was es bedeutet, heute "im Uneindeutigen zu leben" und mit der kulturprägend gewordenen Pluralität zurechtzukommen, beleuchtete im Eröffnungsreferat Wilhelm Guggenberger vom Institut für Systematische Theologie der Uni Innsbruck. Um diese Aufgabe positiv bewältigen zu können, sei eine gelungene Orientierung und Identitätsfindung der einzelnen Mitglieder der Gesellschaft Voraussetzung. Religiöse Traditionen könnten dazu einen großen Beitrag leisten, sofern sie selbst pluralitätsoffen sind, betonte Guggenberger. Katholischerseits sei hier durch das Zweite Vatikanische Konzil "die Pluralitätsfähigkeit der eigenen Tradition entdeckt" worden. Konfliktpotenzial ergebe sich freilich daraus, dass für nichtreligiöse Menschen der Glaube an Gott gesellschaftlich möglichst wenig oder kaum in Erscheinung treten soll, für religiöse Menschen jedoch alle Lebensbereiche durchdringt.
Widerspruch statt Anpassung
Die Bibel soll man "nicht wörtlich nehmen, sondern ernst": Das bedeutet nach den Worten der Grazer Religionswissenschaftlerin Ulrike Bechmann, Gewalttexte, die sowohl im Alten als auch im Neuen Testament vorkommen, differenziert zu betrachten. Es sei zu beachten, in welcher Lebenssituation ein Bibeltext zu einem spricht und in welcher Absicht, Option er gelesen wird. Und Erzählungen wie das Einstürzen der Mauern von Jericho und das darauf folgende Abschlachten von Mensch und Vieh erfordern "Widerspruch, nicht Anpassung", sagte Bechmann.
Umgang mit Verletzlichkeit
Das Konzil als Wendepunkt hin zu einer Öffnung würdigte auch die Leiterin der Arbeitsstelle für Frauenseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz, Hildegund Keul. In Abkehr vom Beginn des 20. Jahrhunderte, als die katholische Kirche Antimodernismus-Eide einforderte und das Bild eines "Hochsicherheitstraktes" abgegeben habe, sei vom Konzil "Heterogenität gewagt" worden. In der Menschwerdung Jesu habe Gott verdeutlicht, so die Argumentationslinie des Konzils, dass er "eine Schwäche für die Menschen" habe, so verschieden sie auch sind. Dies bedeute, dass auch der Glaube "aus den Feldern der Gewissheit in Ungewissheit geführt wird, aus einer Position unhinterfragter Stärke in 'Glaubens-Schwachheit', aus der Utopie der Unverwundbarkeit ins Wagnis der Verletzlichkeit". Dem in Christus verletzlich gewordenen Gott zu folgen erfordert laut Keul, in den Umbrüchen der Gegenwart human zu leben. Dafür sei neben Selbstschutz eben auch Verletzlichkeit vonnöten. Von der Kirche erwartet die Theologin beides: "eine Schwäche für den eigenen Glauben" wie auch eine Schwäche für die heutigen Menschen mit ihren Stärken und Schwächen, Leidenschaften und Charismen.
Normal und Skandal
Anders als bei seinen beiden Vorgängern treten unter Papst Franziskus innerkirchliche Differenzen stärker zutage, es entwickelt sich zugleich eine "neue katholische Streitkultur". Das betonte Christian Bauer vom Institut für Praktische Theologie der Universität Innsbruck am Samstag zum Abschluss. Der Papst habe dies etwa bei der Weltbischofssynode zu Ehe und Familie im vergangenen Herbst selbst gefördert, als er die Synodalen dazu aufforderte, über durchaus kontroverse Themen "mit Freimut zu sprechen" und andere Standpunkte "mit Demut zu hören". Und in seiner Schlussansprache habe Franziskus in realistischer Einschätzung angemerkt, manches der besprochenen Themen sei für den einen Bischof "normal", für den anderen aber "ein Skandal".
Spiritualität als Markenkern
Um aus der "Komfortzone" herauszukommen, würden der katholischen Kirche Anleihen aus der im Wirtschaftsleben gebräuchlichen Marken-Strategie gut tun. Der Grazer Markenentwickler Franz Hirschmugl empfahl den Teilnehmern der Pastoraltagung die Ausrichtung auf eine zentrale, unverwechselbare Botschaft mit Wiedererkennungswert, die in allen Angeboten und Veranstaltungen zum Ausdruck kommen solle: "Wie kommt mehr Liebe in die Welt?", könnte laut Hirschmugl so eine Leitfrage sein. Statt dem Reden bzw. Kreisen um sich selbst sollten Kirchenvertreter damit die "Aufmerksamkeit der Kundschaft" erregen. Der frühere Journalist, der u.a auch für die Caritas (Kampagne "Gemeinsam Wunder wirken") und für Ordensgemeinschaften arbeitete, riet vor allem zu zeitgemäßen Angeboten zum Thema Spiritualität. Dieses Feld sei längst nicht mehr nur mit Religiosität verknüpft und dürfe nicht "den anderen" überlassen werden. Die Kirche habe eine 2.000-jährige Tradition mit viel Feuer, in der sich aber auch viel "Asche" angesammelt habe, rief Hirschmugl zur Abkehr von überalteten Ritualen und Symbolen auf. Auch sprachlich bedarf es seiner Ansicht nach einiger Neuerungen, denn wer sage heute zum Beispiel noch "Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach"? Als großen Hemmschuh bezeichnete der Marken-Experte auch die "Ausgrenzung" von Frauen, die innerhalb der Kirche wenig zu reden hätten.
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[fk]