Herbsttagung 2015: Archive der Glaubensspuren
Den Beginn der Tagesreferate machte Stefan Dorninger von der Diözesanbibliothek Salzburg, der sich über den Umgang mit liturgischen Büchern in (Kloster-)Bibliotheken auseinandersetzte. In der Praxis sei es oft so, dass in vielen Archiven Ratlosigkeit herrsche, wenn ein liturgisches Buch einzuordnen sei.
Stefan Dorninger: Beim Umgang mit liturgischen Büchern herrscht in Klosterbibliotheken oft Ratlosigkeit. (c) Chris Hofer
Man dürfe nicht vergessen, liturgische Bücher seien zentral für unsere Glaubenslehre; sie seien an sich schon Objekte der Liturgie und wurden deshalb aufwendig gedruckt – ein Zeichen der Wertschätzung gegenüber dem Inhalt. Wenn das Buch bereits in einem anderen Verbund katalogisiert ist, kann der Archivar sich daran orientieren und – vereinfacht ausgedrückt – „dranhängen“. Doch oft würden Titelseiten keine eindeutige Zuordnung zulassen. In diesen Fällen erweise sich der Blick in die Liturgiegeschichte als hilfreich, um eine Katalogisierung zu ermöglichen.
Religiösen Volkskunst: fromm und kurios zugleich
Roswitha Orac-Stipperger von der Volkskunde-Abteilung des Grazer Universalmuseums Johanneum referierte über Zeugnisse religiöser Volkskunst – wobei sich die Frömmigkeitsforschung in Österreich mehr oder weniger auf katholische Frömmigkeit beschränkt. Bei der religiösen Volkskunst geht es um das „Volksverständnis“ der kirchlichen Abläufe. Da das einfache Volk zum Großteil nicht lesen geschweige denn die Kirchensprache Latein verstehen konnte, suchte es den praktischen Umgang, den Glauben zu leben, oft vermischt mit regionalen Einflüsse und Bräuchen. Von der Kirchenobrigkeit wurden die Erscheinungen der Volksfrömmigkeit geduldet und auch manchmal in eine bestimmte Richtung gelenkt.
Roswitha Orac-Stipperger: Voksfrömmigkeit konnte zu durchaus kuriosen und skurrilen Auswüchsen führen. (c) Chris Hofer
Die oft in Klöstern hergestellten Andachtshilfen, die sich meisten mit erhobenen Zeigefinger zwischen Ver- und Gebote bewegten, waren als Requisiten der Glaubensgestaltung in einem größeren Denkkonzept eingebunden. Dabei konnte es zu durchaus kuriosen und skurrilen Auswüchsen kommen: so wurden zum Beispiel gedruckte Heiligenbilder in Wasser aufgelöst und als „Schluckbilder“ kranken Menschen, aber auch Tieren ins Essen gemischt. Heute sind diese Requisiten eher auf Sammlerbörsen und in Antiquariaten zu finden – ganz sind sie aber noch nicht aus dem heutigen Alltag verschwunden, auch wenn sie sich in sehr abgeschwächter Form (z.B. als Gebet in Scheckkartenform zum Einstecken) erhalten haben.
Digitalisierung ist unumgänglich
Clemens Brodkorb vom Münchner Provinzarchiv der Jesuiten stellte am Nachmittag die Frage, wieviel Orden in den Ordensarchiven stecke. Die Archive der Orden hätten nicht nur die Aufgabe, Schriftliches und Bildliches, sondern vor allem die Identität einer Gemeinschaft zu bewahren. Schließlich würde es in der Zukunft nur dann keine Erinnerungslücken geben, wenn man Daten aufbewahren würde, mehr noch, wenn man Handlungsabläufe und daraus resultierende Ergebnisse transparent und nachvollziehbar machen würde. Der Aufwand dafür sei über in den letzten beiden Jahrzehnten gestiegen – schließlich sei die „digitale Aufbewahrung einer Akte bis zu sieben Mal teurer als die analoge", so Brodkorb.
Clemens Brodkorb: Ordensarchive haben nicht nur die Aufgabe, Schriftliches und Bildliches, sondern vor allem die Identität einer Gemeinschaft zu bewahren. (c) Chris Hofer
Vor allem die zeitgemäße Form des Briefes, die E-Mail, mache eine Archivierung sehr schwer. Ausdrucken und Abheften ist auf die Dauer keine zufriedenstellende Lösung; dafür schreite die Digitalisierung in der Gesellschaft viel zu rasant voran. „Heute gilt: Quod non est in google, non est in mundo", formulierte es der Historiker und Theologe ironisch, „das gilt auch für die Orden.“ Wenn man sich als Gemeinschaft in irgendeiner Weise in der Öffentlichkeit einbringen wolle, komme man nicht an der digitalen Welt vorbei.
Das gute Sterben
Den Abschluss der Fachtagung machte P. Alkuin Schachenmayr vom Stift Heiligenkreuz mit einem sehr endgültigen Thema. „Jeden Tag den Tod vor Augen“ setzte sich mit dem Sterben in barocken Prälatenklöstern auseinander. Und auch wenn in den präsentierten Darstellungen das Skelett als Symbol des Todes fast allgegenwärtig war, präsentierte der Vizerektor der Theologischen Universität Heiligenkreuz das Thema nicht knochentrocken, sondern durchaus mit feiner Ironie und abgeklärtem Humor. Der Tod wurde als Regisseur, als Spielmeister eines Theaterstücks gezeigt, das sich Leben nennt; aber irgendwann fällt für jeden der letzte Vorhang.
P. Alkuin Schachenmayr: Der Tod wurde als Regisseur eines Theaterstücks namens Leben gezeigt; aber irgendwann fällt für jeden der letzte Vorhang. (c) Chris Hofer
Als wichtige Zeitzeugnisse erweisen sich neben den Professbüchern auch die sog. "Totenroteln". Seit dem frühen Mittelalter war es Brauch, den Tod einer angesehenen Kirchenpersönlichkeit, eines Bischofs, eines Abtes oder einer Äbtissin, durch einen berittenen Boten (der „Rotularius“ oder "Rotelbote") quer durch das Land in Klöstern und Kirchen zu verkünden. Dabei wurde auf einer Pergamentrolle eine Art „Nachruf“ verlesen, die der Konvent des/der Verstorbenen verfasst hatte und der nicht nur die Todesnachricht an sich, sondern Lebenslauf, Verdienste und die Aufforderung zur Seelenmesse(n) beinhaltete. Nach dem Verlesen verfasste der Gastkonvent eine weitere Elegie zu Ehren des Toten und heftete sie an die Pergamentrolle an. Letztendlich kam die Rotel wieder in den ausgehenden Konvent zurück und wurde dort aufbewahrt.
„Der Tod war für die Mönche in der Frühen Neuzeit ein Freund“, brachte es der Zisterzienser auf den Punkt. Auch heute noch sei der Gedanke an den eigenen Tod im heutigen Klosterleben allgegenwärtig. P. Schachenmayr: "Das gute Sterben beginnt mit dem Noviziat!" Deshalb würden viele Orden die ewige Profess als "Totenfeier" gestalten, bei der die Totenglocke geläutet und ein Leichentuch getragen würde.
Vernetzungstreffen
Helga Penz, die Leiterin des Referats für die Kulturgüter der Orden, zeigte sich vom Kulturtag im Rahmen der Herbsttagung sehr zufrieden. „Der Kulturtag wurde sehr gut angenommen. Wichtig war uns auch, dass wir hochkarätige Fachreferenten hatten, die wirklich aus der Praxis sprechen konnten. Ziel war auch, sich stärker miteinander zu vernetzen. Tatsächlich sind aus diesem Vernetzungstreffen schon erste Ideen hervorgegangen, um die Kulturgüter der Klöster für die Zukunft zu bewahren.“
[rs]